Vorsicht bei neuen Kryptowährungen aus Venezuela

Während einige deutsche Medien relativ unkritisch wiedergeben, was die Regierung von Venezuela ohne jegliche Beweise behauptet, solltest Du meiner Ansicht nach beim neuen Petro und Petro Oro (Petro Gold) deutlich länger nachdenken. Wusstest Du zum Beispiel, dass am Tag der Ausgabe nicht mal klar war, ob der Petro auf der Ethereum– oder NEM-Blockchain-Technologie basiert? Das ist so, als wäre beim Vorverkauf eines Autos nicht klar, ob es ein Truck oder ein Sportwagen wird. Freunde aus der Presse, ich sage nur Facepalm.

Absolut keine Beweise für die Vorverkaufszahlen

Angeblich hat Venezuelas Präsident am ersten Tag des Petro-Vorverkaufs (ICO genannt) 735 Millionen US-Dollar eingenommen. Die venezolanische Zeitung Actualidad meldet sogar angebliche Einnahmen von einer Milliarde US-Dollar in den ersten zwei Tagen. Doch gibt es dafür irgendwelche Beweise? Alleine die Tatsache, dass das Land tief gespalten ist und die Opposition den Petro als rechtswidrig ansieht, spricht schonmal dagegen. Oder würdest Du etwas kaufen, das in ein paar Monaten komplett wertlos sein kann? Die nächsten Wahlen sind Ende April.

Ich nehme mal etwas vorweg. Soweit mir bekannt ist, hat noch niemand auf der Welt glaubhaft behauptet, er hätte einen Petro-Token gesehen, oder einen gekauft. In den Medien (auf reddit, in Foren, auf Steemit etc.), ist nichts Glaubhaftes zu finden. Schonmal komisch, denn es gibt viel Neugier bei diesem Thema. Wenn massenhaft Bitcoin oder Ether in Richtung Venezuela geflossen wäre, würde man das in den öffentlich einsehbaren Blockchain-Netzwerken eigentlich nachverfolgen können. Diese beiden Kryptowährungen werden bei den Vorverkäufen oft genutzt. Aber auch da gibt es nichts, was bisher bekannt wurde.

Grundsätzliche technische Beschreibungen im Whitepaper in allerletzter Minute geändert

Ja, ICOs (Kryptowährungs-Vorverkäufe) sind oft riskant und vieles ist auch oft noch unklar. Aber wenn vor Dir eine Gruppe Präsentatoren steht, und erzählt, warum Du bei ihrem tollen neuen Projekt mitmachen sollst, müsste schonmal IN ETWA klar sein, was sie denn bauen. Wird es eine Garage oder ein Hotel, eine Strandbar oder eine U-Bahnstation? Ich weiß, ich weiß, Details 😉 Ich hatte mir jedenfalls das Whitepaper vom Petro am 10.2.2018 (offiziell im Dokument als Beta Version vom 30. Januar bezeichnet) von der staatlichen Regierungsseite Venezuelas runtergeladen, und da stand auf Seite 13 dieser Satz drin:

The Pre-sale will start on February 20,2018 and will consist of the creation and sale of an ERC20 token on the blockchain Ethereum platform.

Als ich mir heute, am 27.2.2018 dasselbe Whitepaper runtergeladen habe, stand auf Seite 13:

The Pre-sale will start on February 20,2018 and will consist of the creation and sale of smart-asset on the NEM blockchain platform.

 

Das ist kein gutes Zeichen! Ethereum und NEM sind zwei völlig verschiedene Technologien. Wie kann es sein, dass ein ernstzunehmendes Kryptoprojekt 10 Tage vor dem Token-Vorverkauf nicht weiß, welche grundsätzliche Technologie verwendet wird? In einem englischen Artikel, den ich weiter unten noch zitiere, spricht der Autor sogar davon, dass diese Unklarheiten am Tag des Vorverkaufs nicht geklärt waren. Das wäre NOCH krasser.

Wo sind die Token?

Mal abgesehen von all diesen Punkten. Wo sind denn die Petro Token nun? Nein, ich rede nicht von den echten Petros, denn das Petro-Netzwerk mit den echten Coins gibt es ja noch nicht. (Und es finden sich auch so gut wie keine technischen Erklärungen dazu im Whitepaper oder sonstwo.) Aber die Tokens, die Gutscheine für die Petro Münzen sozusagen, die müsste es ja jetzt eigentlich geben. 38,4 Millionen Stück, angeblich, laut der Regierung Venezuelas. Aber wo?

Bisher gibt es keine Beweise, dass sie überhaupt existieren. Ja, auf der NEM-Blockchain hat zwar jemand einen Token mit genau 38,4 Millionen Einheiten und dem Namen „petro.presale“ erstellt. Aber das könnte aber auch ein Betrüger gewesen sein, der darauf hofft, dass Leute ihm Geld schicken. Und warum befinden sich alle 38,4 Millionen Einheiten immer noch auf dem selben Konto? Angeblich wurden doch Token im Wert von 735 Millionen, bzw. einer Milliarde US-Dollar verkauft? Es ist absolut unnormal, dass Token beim „Hersteller“ bleiben, nachdem er sie verkauft hat.

Gedeckt wovon?

Angeblich ist der Petro vom Öl in Venezuela gedeckt. Sehen wir mal davon ab, dass die Opposition gesagt hat, dass sie das als illegal ansieht. Weil das Parlament nämlich darüber abstimmen müsste. In einem internationalen Medienartikel, der mich zum ersten Mal auf viele dieser Zustände aufmerksam gemacht hat, heißt es aber:

The government is merely promising to accept tax payments in petros at a government-determined exchange rate linked to oil prices.

Zu deutsch etwa: „Die Regierung verspricht bloß, dass man mit Petros seine Steuern bezahlen kann, zu einem Preis, der am Ölpreis festgemacht ist.“

Ich weiß ja nicht, ob Du normalerweise in Venezuela Steuern bezahlst. Oder ob Du jemanden kennst, der sie dafür brauchen kann und sie Dir abkauft. Ich persönlich hätte sehr wenig Nutzen dafür, wenn das stimmt.

Zusammenfassung

Dass die USA Venezuela mit Sanktionen belegt haben und (US-)Käufer warnen, bzw. mit rechtlichen Klagen drohen, liest man an einigen Stellen. Doch die technischen Details, Fragen und Ungereimtheiten gehen absolut unter. Um mal einen Hashtag von Dr. Julian Hosp (den Du einmal auf youtube suchen solltest) zu verwenden: Ich glaube, unsere Medien sind einfach noch nicht #Cryptofit.

Mir ist wichtig, dass Du diese Dinge weißt und nicht blind auf einen Zug aufspringst. Denn Venezuelas Regierung plant seit dem „großen Erfolg“ vom Petro gleich die nächste Währung. Petro Oro, angeblich gedeckt mit Gold. Doch dazu findet sich derzeit noch weniger Information. Ich bleibe auf jeden Fall sehr vorsichtig, meiner Ansicht nach kann da jede Menge schiefgehen. Milde gesagt. Den Gedanken, Erdöl endlich mit einer anderen Währung kaufen zu können als US-Dollar, finde ich allerdings demokratisch und gut. Das will aber auch umgesetzt sein.

 

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